William Kentridge in Frankfurt

William Kentridge in Frankfurt

o.T.

Ein familienbedingter Kurzbesuch in Frankfurt schenkte uns zwei bemerkenswerte Ereignisse: einen Bummel durch die neue „Altstadt“ von Frankfurt und den Besuch der Ausstellung des südafrikanischen Künstlers William Kentridge im Liebieghaus.

Die viel beschriebene, komplette Neugestaltung eines Teils der Frankfurter Altstadt  im Umfeld des Römers stand kurz vor der Eröffnung, er war begehbar, auch wenn überall noch gewerkelt wurde und viele Läden leer standen.

Unter fachkundiger Führung bummelten wir durch dieses spektakuläre, „alte“ Stadtviertel, das liebevoll und qualitätsbewusst im historischen Stil  völlig neu geplant und wieder aufgebaut wurde. Der Wiederaufbau nach der totalen Zerstörung durch die Luftangriffe 1944 in den Nachkriegsjahrzehnten war geprägt vom damals modernen „Betonbrutalismus“. Offenbar setzte sich aber in der Folge bei den Bürgern und den Entscheidungsträgern die Sehnsucht nach der alten, heimeligen Frankfurter Altstadt durch. Folgerichtig wurden die Nachkriegsbauten nach über 60 Jahren wieder abgerissen und machten den jetzigen, „historischen“  Neubauten Platz. Die neuen, spitzgiebeligen Gebäude Strassenzüge und Plätze zeichnen sich durch eine Farben-, Formen- und Materialvielfalt aus, die dem Besucher zeigt, hier wurde nicht gespart, sondern liebe- und geschmackvoll „geklotzt“!

Ich bin mir sicher, dass im Zentrum von Frankfurt ein touristisches Erfolgsmodell entstanden ist – mich erinnerte das Ganze allerdings auch an „Disneyworld“  – eine perfekte, historische Illusion, anstelle eines zeitgemäßen, modernen und zukunftsweisenden Städtebaus!

Wie man Altes und Neues, Tradition und Revolution ideal kombiniert, beweist die fantastische Ausstellung des südafrikanischen und weltweit begehrten Künstlers William Kentridge im altehrwürdigen Liebieghaus.

Das Liebieghaus beherbergt Skulpturen aus 5000 Jahren, die Kentridge gekonnt und trickreich in seine Filmprojektionen integriert und sie mit seinen Bildern, Holz- und Linolschnitten, Lithografien und Papierskulpturen, verbunden mit Musik, künstlerisch ergänzt. Man hat manchmal das Gefühl, dass die antiken Figuren erstaunte Zuschauer und Zuhörer dessen sind, was Kentridge um sie herum inszenierte!

„Die alten und neuen Werke widerstreben einander, ihre Eigenarten treten umso stärker hervor“ schreibt die ZEIT und fasst die gelungene künstlerische Symbiose mit der Überschrift „Endlich Krach. Tolle Ruhe!“ zusammen.

William Kentridge (Jg. 1951) lebt und arbeitet in Johannesburg und arbeitete in früheren Zeiten als  Schauspieler, Designer und Theaterregisseur. Nach diversen Studien in Johannesburg und Paris begann er schon in den 80 ger Jahren Animationsfilme zu produzieren, bei denen er jedes Einzelbild mit Kohle, Graphitstift oder Pastellfarben zeichnete bzw. malte. Die so aus Einzelbildern entstandenen Filme sind ruckelig, flüchtig, lösen sich auf und beginnen von Neuem, sie bezaubern, beglücken, verstören.

Kentridge nahm mehrfach an der Biennale in Venedig und der Documenta teil und ist inzwischen ein gesuchter, künstlerischer Weltbürger.  

Im Liebieghaus bespielt er noch bis Ende August 2018 nahezu alle Räume, wobei sich seine Filme, Bilder und Objekte fantasievoll der jeweiligen Kunstepoche seiner Umgebung anpassen.

FAZIT: Eine sehr empfehlenswerte Ausstellung, die von der üblichen Ausstellungsroutine abweicht und somit unbedingt eine Reise nach Frankfurt wert ist.   

 

Klaus Weidner                                                 Juli 2018