Kuba – zwischen Revolution und „Reform“

Che Guevara

Studienreise im Oktober 2017

1. Allgemeines zur Reise

Die von ZEITREISEN und AvenTOURa veranstaltete 13 tägige Rundreise führte unsere 14 köpfige Reisegruppe von West nach Ost über die ganze Insel zu den alten Kolonialstädten, auf landwirtschaftliche Farmen und in die teils raue Bergwelt. Die Luxusstrandressorts, die das Kubabild der meisten Touristen maßgeblich prägen, konnten wir nur aus der Fern erahnen.

Die Reise begann in Havanna, führte danach in den Westen nach Pinar del Rio / Vinales und dann zur Inselmitte nach Santa Clara, Cienfuegos, Trinidad und von dort in den Osten nach Camagüey, Sancti Spiritus, in die Sierra de Maestra und endete in Santiago de Cuba.

Um es vorweg zu sagen, es war keine Erholungs- oder Badereise, sondern eine hoch interessante, aber auch anstrengende Studienreise, die uns Land und Leute, die revolutionäre Geschichte und heutige (kommunistische) Lebensrealität näher bringen sollte. Folgerichtig legten wir per Bus 1400 km auf zum Teil schlechten Straßen zurück und übernachteten sowohl in 5 oder 3 Sternehotels, als auch in einfachen Privatquartieren.

Die Reiseplanung war inhaltlich und vom Zeitplan her sehr anspruchsvoll und ließ uns höchstens am Abend oder bei den langen Busfahrten die Zeit, die vielen widersprüchlichen Eindrücke zu diskutieren und zu verarbeiten.

Ein Glücksfall war unser 26 jähriger Reiseleiter Abel, der uns unsere Reisestrapazen mit Charme, großem Fachwissen, Höflichkeit und Hilfsbereitschaft vergessen ließ und uns einen offenen und weitgehend „ideologiefreien“ Eindruck seines Landes vermittelte. Er war für uns ein sympathisches Gesicht des jungen Kubas – aus der Oberschicht der politischen Nomenklatura stammend, gut ausgebildet, ambitioniert, mit Auslandserfahrung und guten Deutschkenntnissen.

Es blieb nicht aus und war von den Veranstaltern wohl auch so gewollt, dass wir neben den touristischen Highlights auch mit der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Realitäten dieses „altkommunistischen“ Staates konfrontiert wurden und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen.

Ich versuche im folgenden Reisebericht einen sehr subjektiven Spagat, in dem ich einerseits auf die touristischen Highlights eingehe und andererseits unsere politischen Irritationen, bedingt durch die Schwächen des politischen Systems, die wir hautnah erlebt haben, deutlich zu machen. Insofern liegt der Schwerpunkt meines Reiseberichts im Folgenden zunächst auf meinen touristischen Erlebnissen, ohne allerdings kritische Beobachtungen auszusparen. Eine Zusammenfassung meines politischen Fazits der Reise folgt am Ende des Reiseberichts.

Kaum einem der Reiseteilnehmer war bei der Reisebuchung vor einem halben Jahr klar, dass wir mitten in der Regenzeit reisen. Dies bedeutete einen täglichen, meist abendlichen, mehr oder weniger heftigen Regenschauer und eine Luftfeuchtigkeit von über 90 % bei ca. 30 Grad Durchschnittstemperatur – eine echte, körperliche Herausforderung! Vorteile dieser Regenzeit waren allerdings bedeutend weniger Touristen – zumal nach den beiden Hurricanes im Vorfeld unserer Reise.

2. Havanna und der Westen Kubas

Unser Iberostarhotel am Central Park in Havannas Altstadt war nicht nur das beste Hotel der Reise, sondern auch ideal gelegen für die Stadtspaziergänge.

Die diversen Bummel durch Havanna Vieja bestätigten alle Klischees, die wir in unseren Köpfen mitgebracht hatten: wunderbare Artdeco und neoklassizistische Fassaden wechseln sich mit heruntergekommenen, verwahrlosten und bröckelnden Fassaden ab, die engen, winkligen Gassen mit bunten, renovierten Fassaden münden immer wieder in prachtvollen Plätzen, mit imposanten Kirchen, Palästen und Regierungsgebäuden. Es war Wochenende, deshalb waren viele Einheimische zum Stadtbummel unterwegs – wobei die Übergewichtigkeit des größten Teils der weiblichen Bevölkerung nicht zu übersehen war – in bunten, engen Klamotten zeigt man ungeniert, was man hat. Hier zerbröselte sehr schnell die Illusion von den schönen, rassigen, karibischen Frauen! Der Autor und Fotograf suchte nach Ausnahmen von der Regel und wird auch hier und da fündig, wie die Fotogalerie zeigt. Havanna Vieja stellte sich schnell als farbenprächtiges Vergnügungs- und Ausgehviertel heraus, mit unzähligen Bars, Restaurants, kleinen Läden und Märkten (mit armseligem Angebot), an jeder Ecke Andenkenstände, bei den T-Shirts ist Che allgegenwärtig! Hier und da spielte eine mittelmäßige Band, Schilder weisen darauf hin, wo überall schon Papa Hemingway seinen Rum trank und dicke Zigarren rauchte. Straßenmaler haben sich auf schnelle Porträts von Touristen spezialisiert, eine alte Apotheke hat wiedereröffnet, ebenso eine Luxusmall, wobei man sich unwillkürlich fragte, wer hier kaufen soll.

Außerhalb der Fußgängerzonen regieren auf den breiteren Straßen die grell bunten, alten, amerikanischen Straßenkreuzer, die liebevoll gepflegt reine Nostalgie „aus der guten alten Zeit“ verbreiten. Ein Fahrer berichtete uns, dass alle alten Straßenkreuzer einem reichen Kubaner gehören, der seine Fahrer aber fair behandele. Unsere Fahrt im offenen Oldie, vorbei am Theater, dem Kapitol und der malerischen Altstadt führte uns zunächst als Pflichtprogramm zum Revolutionsplatz -einem gigantischen und letztlich öden Aufmarschplatz für sozialistische Paraden mit hässlicher Randbebauung. Ausländische Kritik verbietet sich hier von selbst, hier lebt der Stolz der Revolution! Die weitere Fahrt zeigte uns allerdings schlagartig ein völlig anderes, erschreckend armes Havanna. In hässlichen Plattenbauten und heruntergekommenen Häusern und Wohnvierteln lebt der Großteil der Bevölkerung Havannas in bedrückender Enge – Dritte Welt pur. Der Eindruck wurde noch bedrückender, je mehr wir uns dem Meer näherten. Wir erfuhren, dass der letzte Hurrikan vor wenigen Wochen hier zu großen Überschwemmungen in diesen armen Stadtvierteln führte, deren Schäden nur zum Teil beseitigt waren. Hier wurde uns ohne viele Worte klar, dass für die meisten Einwohner Havannas die herausgeputzte Altstadt wie ein „Disneyland für Privilegierte und Touristen“ vorkommen muss – das sie sich auch preislich nicht leisten können. Selbst unser finanziell relativ privilegierter Reiseleiter Abel bestätigte uns, dass er mit seinen Freunden nicht in der Altstadt ausgehe, da es dort viel zu teuer sei.

Unsere Schockstarre löste sich nur langsam, als wir mit unseren Straßenkreuzern in das höher gelegene, gepflegtere Botschaftsviertel Miramar und den Stadtteil Vedado  fuhren – mit viel Grün, Wald und einem kleinen Fluss eine deutlich bessere Gegend. Leider konnten wir auf der Rückfahrt den Malecon, die weltberühmte Uferpromenade am Meer, nicht besuchen, da sie wegen Hurrikanschäden noch komplett gesperrt war. So fuhren wir etwas enttäuscht durch das Hafenviertel zurück in unsere heile Welt und fanden eine entspannte, heitere Abendstimmung in den schmalen, malerischen Gassen und Bars der Altstadt vor.

Am Abend führte uns ein freundliches Schlepperpärchen mit trickreichem „Beziehungsmarketing“ zu einem „preiswerten Familienrestaurant“ auf einer Dachterrasse, das zufällig dem Bruder gehörte. Wir bestellten bei dezenter Lifemusik köstliche, gegrillte Langusten für 17.- CUC  – mehr als einem Monatsgehalt eines normalen Kubaners, wie wir später erfuhren.

Apropos: die Touristenwährung CUC (Peso Convertible) entspricht im Wert 1 US $. Die einheimische Währung CUP (Peso Cubano) ist Zahlungsmittel für die Kubaner,  1 CUC entspricht 23 CUP! Da auch die sowieso schon niedrigen Löhne in CUP ausbezahlt werden, kann man sich unschwer vorstellen, wie abgehoben die Kubaner ihre teure Altstadt und uns Touristen finden müssen. Das erklärt auch das merkwürdige Gefühl der Duldung, das wir überall in Kuba von Seiten der Einheimischen erfuhren – ganz selten ein einnehmendes, freundliches Lächeln.

Positiv empfanden wir, dass es während der ganzen Reise kaum Bettelei gab und wir nie ein Gefühl der Unsicherheit hatten. Wenn man etwas von uns wollte, war man freundlich, ansonsten waren die Kubaner uns gegenüber sehr distanziert.

Am nächsten Vormittag setzten wir die Besichtigung des historischen Havanna fort, u.a. sahen wir als private Zugabe von Abel ein normales Wohnhaus in der Altstadt. Auf engstem Raum leben viele Familien mit Kindern unter einem Dach (z.B. 25 qm für eine 5 köpfige Familie), die uns an diesem Sonntagmorgen freundlich empfingen und bereitwillig gegen ein paar CUC ihr „Reich“ zeigten. Abel erzählte uns, dass die Stadt den Familien größere Wohnungen außerhalb der Altstadt angeboten habe, aber niemand wollte aus dieser zentralen Lage ausziehen. Die Wohnungen sind mietfrei, nur geringfügige Nebenkosten fallen an. Die Mieter wären lediglich zum Erhalt der Wohnsubstanz verpflichtet, da sie kaum Geld haben, verfallen die Gebäude, bis sie unbewohnbar werden. Ähnlich sieht es in der Altstadt vermutlich vielfach hinter den schönen, renovierten Fassaden aus

Einen nostalgischen Rückblick auf eine glanzvolle Epoche brachte uns danach der Besuch des fantastischen Art-Deko Palastes der früheren Rumbarone Bacardi,  was für ein ein Kontrast!                                         

Von einem der Altstadt gegenüber liegenden Hügel aus, unter den Augen einer großen Christusstatue, hatten wir anschließend noch einen fantastischen Blick auf das von  hier oben traumhaft schöne Panorama der Stadt und des Hafen. Als überraschende Zugabe standen wir ebenfalls auf dem Hügel unvermittelt vor dem ehemaligen Wohnhaus von Che Guevara, in dem er mit seinen 5 Kindern lebte.

Die restliche Zeit in Havanna haben wir uns mit politischen und sozialen Aspekten beschäftigt.

Das Mittagessen auf einer Biofarm war verbunden mit dem Besuch des dort ebenfalls angesiedelten Altersheims, das von den (italienisch / kubanischen) Eigentümern der Farm in Privatinitiative liebevoll betrieben wird.

Sehr aufschlussreich war die anschließende Diskussion mit einem bekannten Wirtschaftsprofessor Kubas, der maßgeblich die Regierung berät.

Nach seinen Aussagen hängt die schlechte wirtschaftliche Situation weitgehend mit externen Ereignissen zusammen. Der völlige Zusammenbruch der kubanischen Zuckerindustrie war die unmittelbare Spätfolge des Untergangs der Sowjetunion und ihrer Bruderstaaten, die Hauptabnehmer des kubanisches Zuckers zu deutlich überhöhten Weltmarktpreisen waren. Die notwendige, wirtschaftliche Umsteuerung Kubas wurde danach, nach seinen Worten, empfindlich vom amerikanischen Embargo gestört. Bis hierher konnten wir dem Professor folgen, leider ging er kaum auf die Schwächen und Folgen der kubanischen (altkommunistischen) Planwirtschaft ein, deren Mängel wir in den nächsten Reisetagen deutlich sehen sollten. Er räumte immerhin ein, dass es in der Gesellschaft und Wirtschaft zu wenige Anreize für Eigeninitiative gäbe, dass die Beschränkung des Internets ein Problem sei und dass das soziale Netz für die Bevölkerung (kaum Steuern, ein kostenfreies Gesundheitswesen, keine Mieten, freie Bildungschancen etc.) eine enorme Belastung für den Staat sei. Hinzu käme, dass ein Großteil der Lebensmittel, die für die 5 Mio Touristen benötigt würden, eingeführt werden müssten, z.b Huhn, Rindfleisch, Reis, Milch etc. Außerdem sei man beim Energiebedarf fast zu 100 % auf das Öl von Venezuela angewiesen. Das Beispiel eines wirtschaftlich boomenden und trotzdem kommunistischen Vietnam sei auf Kuba nicht anwendbar. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungsprozesse wären nach seiner Meinung in Kuba dringend notwendig, weiter kam er allerdings leider nicht aus der politischen Deckung!

Bei unserer nachfolgenden Reise durch das Land fiel mir hierzu einiges auf, auf das ich später in meinem politischen Fazit näher eingehe.

Den Abschluss unseres Havannabesuchs bildete der Besuch eines von der katholischen Kirche und unserer Reiseagentur unterstützten Kindergartens. Die dort betreuten ca. 40 Kinder ab 3 Jahren stammen alle aus prekären und teilweise kriminellen Familien. Es war für uns alle ein berührendes Erlebnis, die liebevolle Hingabe des Pflegepersonals zu erleben und in die weitgehend fröhlichen Kinderaugen zu schauen. Am Ende meines Reiseberichts werde ich eine Kontonummer angeben, über die meine Leser dieses sinnvolle, private Kinderprojekt mit ihren Spenden unterstützen können.

In einer ca. 190 km langen Busreise ging es danach durch eine flache, grüne Landschaft nach Westen ins Land des Tabaks. Interessanterweise sahen wir über lange Strecken während dieser Fahrt kaum landwirtschaftlich kultivierte Felder und noch weniger Tiere im üppigen Grün. Seltsam – wir hatten noch den Importzwang von Lebensmitteln im Ohr! 

Zwischen Pinar del Rio und Vinales besuchten wir eine mustergültig gepflegte Farm und erhielten dort nach einem deftigen Mittagessen eine interessante Vorlesung und Demonstration der Tabakmanufaktur von der Saat, über die Ernte, die Trocknung und Fermentierung bis zur fertigen, handgedrehten Zigarre. Der Prozess kann im Extremfall bis zu 3 Jahre dauern. Nichts passiert maschinell, alles ist z.T. kunstvolle Handarbeit – was letztlich den Preis einer gepflegten, kubanischen Zigarre erklärt. Die Farm verarbeitet jährlich 6 Tonnen Tabak, die wertvollen Fertigprodukte werden zu Festpreisen vom Staat übernommen. Man spürte trotzdem den Stolz des Managers auf seine Leute und Produkte – auch wenn ihm die Farm nicht gehört.

Nach ausgiebigem Kauf des „braunen Goldes“ fuhren wir durch eine wunderschöne Landschaft, das Valle de Vinales. Tabak soweit das Auge reicht, dazwischen die grün bewachsenen, Mogotes genannten, Kalksteinformationen, die uns an das zauberhafte Tal von Guilin in Südchina erinnern. Das Ganze ist ein UNESCO Weltkulturerbe und lädt zum Wandern ein, was wir später in diesem schönsten Naturteil Cubas auch taten.

In Vinales beziehen wir eine Privatunterkunft, die lieblos und klein war und uns ungefiltert mit den Gerüchen und Geräuschen der Küche versorgte – kurz unzumutbar war! Hinzu kam, dass von Familienkontakt keine Rede sein konnte, wir wurden in die hinterste Ecke verbannt und kaum beachtet. Die Familie nutzte dagegen ungerührt den schönen Teil der Terrasse – hier fehlte jedes Fingerspitzengefühl, von Kundenorientierung ganz zu schweigen. Da halfen auch das gute Abendessen und Frühstück nicht über unsere Enttäuschung hinweg – ein bisschen wenigstens der Papagei, der sich auf meiner Schulter mit mir anfreundete.

Der Ort Vinales ist klein, aber fein – ein gut herausgeputztes, touristisches Schatzkästchen mit vielen Restaurants und Bars, WLAN auf dem Dorfplatz und internationalem Flair. Der Tabak und die wunderbare Natur locken die Touristen an, aus aller Welt.

Die 3 stündige Wanderung mit dem lokalen Führer Nelson durch die wunderbare und sehr fruchtbare Umgebung von Vinales tat Geist und Körper gut. Wir stießen hier auf eine intakte Landwirtschaft, mit größeren, gut ausgestatteten Farmen, auf denen Gemüse, Reis, Tabak, Kaffee etc. angebaut wird und darüber hinaus neben den allgegenwärtigen Schweinen, auch Kühe, Hühner und Truthähne gehalten werden. Nelson, der selbst als Farmer arbeitet, erzählte uns, dass er 8 Hektar Land bewirtschaftet und 90 % seiner Erträge zu Festpreisen an den Staat verkaufen muss. Als ich ihn fragte, ob er von den restlichen 30% gut leben könne, grinste er nur. Man fragte sich an dieser Stelle unwillkürlich, warum die Regierung nicht überall im Land eine so intakte Landwirtschaft fordert und fördert, um damit unabhängiger vom Import zu werden?.

Nelson zeigte uns eine große Vielfalt von Bäumen und Büschen, die z.T. aus Afrika importiert wurden. Die wunderbare, leicht hügelige Landschaft, mit kleinen Seen, in denen sich die grünen Mogotes spiegeln, sind ideal für Wandern und Reiten – was von den Touristen auch reichlich genutzt wird.

In der Regenzeit waren wesentlich weniger Touristen in Vinales und Umgebung, alles wirkte beschaulich und wir erfuhren dadurch, speziell auf dem Land, sogar hier und da eine freundliche Zuwendung – ein Himmelreich für ein Lächeln!.

Zum Abschluss dieses Kapitels noch ein paar Worte zum Essen: grundsätzlich waren wir von der Eintönigkeit und Fantasielosigkeit des Essens enttäuscht – keine Spur von einer schmackhaften, kreolischen Küche. Stattdessen nur die Wahl zwischen Huhn, Schweinefleisch und manchmal Fisch oder Lamm, mit Reis und schwarzen Bohnen als Beilage. Es gab einige wenige Ausnahmen, ansonsten haben wir uns mit der kulinarischen Trostlosigkeit abgefunden – ergo bibamus, wenigstens der Rum war lecker!

3. Die Mitte und der Osten Kubas

Eine lange Busfahrt von 450 km brachte uns in die Inselmitte nach Santa Clara.

Unterwegs machten wir einen Zwischenstopp im größten Orchideengarten Kubas – einer wunderbaren, ehemals privaten Anlage in Hanglage, in der wir unter fachkundiger, lokaler Führung viel über Flora und Fauna erfuhren und darüber hinaus von der lustigen Führerin darüber aufgeklärt wurden, dass Kuba auf 4 Säulen ruhe, auf Rum, Musik, Kaffee und Domino! Sie ergänzte ihre augenzwinkernde Landeskunde um die Bemerkung, dass Kuba auch ein Vitamin R habe – sie meinte wiederum Rum und ein eigenes Vitamin C – was Cristal, das lokale Bier, meinte. In der Tat ist der kubanische Rum köstlich, sowohl in purem, älteren Zustand, als auch in diversen Mixgetränken, vor allem dem Mojito, der schnell unser Lieblingsgetränk wurde.

In Santa Clara erwartete uns zunächst eine Enttäuschung, da das Museum und Mausoleum von Che Guevara aufgrund der bevorstehenden Feierlichkeiten zu seinem 50. Todestag geschlossen waren.

Als wir dann allerdings vor dem eindrucksvollen Monument zu Ehren des neben Fidel Castro größten Helden der Revolution, Commandante Ernesto Che Guevara, standen, waren wir alle doch sehr beeindruckt. Seine gigantische Bronzestatue, mit Gewehr in der rechten Hand und eingegipstem linken Arm, den Blick kämpferisch in die Ferne gerichtet, hob sich lebensecht und trotzig vom wolkenreichen Abendhimmel ab. Es hätte uns kaum gewundert, wenn er uns „Hasta la victoria siempre“ zugerufen hätte, so stand sein Wahlspruch „Immer bis zum Sieg“ nur unter seiner Statue. Er wollte „den neuen Menschen“ und ist damit gescheitert – sein gutes Aussehen, sein Mut und sein früher Tod machten ihn zur weltweiten Legende.

Der geschichtsträchtige Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass zu Ches Füßen eine riesige Arena aufgebaut war, die auch den Rolling Stones zu Ehren gereicht hätte. Ein paar Tage später gedachten hier tausende geladene Gäste im Beisein von Raul Castro seines Todestages. Das Porträt Che Gueveras ist in Kuba auf Wänden, Plakaten, T-Shirts, Postkarten etc. allgegenwärtig – er ist heute nicht nur eine historische Revolutionsikone, sondern auch das Gesicht eines gigantischen, weltweiten Marketings – was ihm sicher nicht gefallen hätte.

Es gibt in Santa Clara ein weiteres Monument, das an die listige Kaperung eines feindlichen Militärzuges durch Che und seine kleine Rebellenarmee erinnert. Mit diesem Ereignis begann damals der letztlich erfolgreiche Marsch der Revolutionäre nach Westen, der mit der Flucht des Diktators Batista und dem Sieg der Revolution im Januar 1959 endete.

Am frühen Morgen erlebten wir an dieser Gedenkstätte den Morgenapell einiger sehr junger Schulklassen in Schuluniformen – ein eifriges Mädchen zitierte cool die politischen Parolen und hob am Ende die Faust zu Ehren des kubanischen Kommunismus und letztlich zum Sieg der Weltrevolution!

Diese Indoktrination im Kindesalter kennen wir historisch aus den gescheiterten kommunistischen Ländern in Europa – die Methode scheint immer noch zu wirken.

Erwähnenswert bezüglich Santa Clara ist noch unsere erholsame Unterkunft in einem Freizeitressort und die dortige, abendliche Bademodenschau mit durchaus schöner Bade- und Freizeitmode, made in Kuba, dargeboten von wunderschönen, jungen Frauen, die wir leider bisher im Straßenbild vermisst hatten.

Unsere Fahrt durch das sehr fruchtbare Zentralkuba führte uns zunächst weiter nach Cienfuegos, einer sehr lebendigen Industrie- und Hafenstadt. Das historische Zentrum ist geprägt von französischer Kolonialarchitektur, am Theater Terry trat Caruso auf und hatte dort eine bis heute ungeklärte Affäre. Die breite und sehr frequentierte Fußgängerzone endet im Parque Marti, einem der schönsten Plätze des Landes. Die Besichtigung des kuriosen Palacio del Valle mit seinem Durcheinander an Architekturstilen durfte nicht fehlen und brachte uns noch einen letzten Blick auf die schöne Halbinsel Punta Gorda und die Ruine eines zum Glück niemals vollendeten Atomkraftwerks.

Danach freuten wir uns auf zwei Tage in Trinidad, das uns als schönste Kolonialstadt des Landes angekündigt wurde.Trinidad hielt unseren hohen Erwartungen stand, trotz großem Wetterpech.

Da wir wieder zwei Nächte in privaten Unterkünften (Casas Particulares) verbringen sollten, waren wir nach den schlechten Erfahrungen in Vinales, natürljch sehr gespannt: Erfreulicherweise waren wir dieses Mal in einem geräumigen Haus im Zentrum untergebracht, mit großen Räumen und routinierter, professioneller Betreuung durch die Chefin des Hauses. Also Entwarnung, zumal sogar WLAN im Haus ab und zu funktionierte.

Trinidad, mit seinen 70.000 Einwohnern, verdankt seine Attraktivität der frühen Zuckeraristokratie, die es im 18. Jahrhundert mit Zucker- und Sklavenhandel zum wichtigsten Handelszentrum Kubas machte. Aus dieser Zeit stammen viele der kolonialen Prachtbauten, die heute die größte, zusammenhängende Ansammlung von intakten Kolonialbauten in Kuba, neben Havanna, darstellen und von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurden.

Es machte großen Spaß zwischen den bunten Häusern auf Kopfsteinpflaster zum historischen Kern um den Placa Major hinaufzusteigen und dort die architektonische Pracht und Vielfalt zu bewundern. Erfreulicherweise gab es hier keinen Autoverkehr, so dass man sich ungestört der glorreichen Vergangenheit hingeben konnte. Hier oben finden sich auch diverse „Musikkneipen“, in denen am Abend bis in die tiefe Nacht der Salza zelebriert wird. In Ehren ergraute Vortänzer bewegten die tanzfreudigen weiblichen Gäste, während deren Männer gelangweilt dicke Zigarren rauchten. Leider wurde in unserem Fall die Musik- und Tanzleidenschaft der Einheimischen durch einen tropischen Regenguss abgekühlt und schließlich beendet.

Zwischen Sturzbächen und Kopfsteinpflastern balancierten wir vorsichtig den Berg hinunter, durchquerten kleine Seen und waren glücklich, als wir einigermaßen unversehrt und trocken unser Privatquartier erreichten. Als am nächsten Vormittag ein Gewitter das andere ablöste, fiel unser geplantes Wanderprogramm aus, dafür konnten wir den routinierten Kampf der Hausbesitzer gegen die Wassermassen beobachten – es tropfte hier, eine Rinnsal oder Pfütze bildete sich dort, selbst die Wasserschildkröten suchten das Trockene. Letztlich ging alles glimpflich ab und wir beschlossen, das erste und einzige Mal während der Reise dem karibischen Meeresstrand einen Kurzbesuch abzustatten. Leider war uns auch hier das Glück nicht hold – die ersten Schwimmer wurden böse mit Quallen konfrontiert, die das Unwetter in Strandnähe gespült hatte. So blieb es bei unserem einzigen Strandaufenthalt bei sehnsuchtsvollen Blicken auf das angenehm warme, aber keineswegs blaue Meer.

Unsere Busreise führte uns weiter nach Osten über Sancti Spiritus nach Camaguey. Im Tal der Zuckerrohrmühlen, beim Besuch der früheren Zuckerrohrfelder und des 50 Meter hohen Sklaventurms konnte man den Reichtum der Zuckerbarone erahnen, aber auch die Arbeits- und Lebensbedingungen der schwarzen Sklaven, die vom erwähnten Sklaventurm aus überwacht wurden. Heutzutage herrschte an der Bahnstation eine bunte Marktatmosphäre, die an alte Wildwestilme erinnerte. Reiter und Pferdekarren, Händler und Obstverkäufer, Frauen an Zuckerrohrpressen und Alte und Junge, die schöne, selbst gefertigte Handarbeiten verkauften, bestimmten die malerische Szenerie.

Je weiter wir in den Osten Cubas fuhren, desto schöner und authentischer wurden die alten Kolonialstädte – die schrecklichen Gegensätze zwischen bitter armen Stadt-  und herausgeputzten Touristenvierteln, wie in Havanna, gab es in den Städten in der Mitte und im Osten Kubas nicht mehr.

Ein sehr schönes Beispiel hierfür war das alte Kolonialstädtchen Sancti Spiritus  Die meist blau /weiß gestrichenen Häuser, schönen alten Plätze und Kirchen im historischen Kern kamen unseren Vorstellungen eines heiteren, malerischen Kuba schon sehr viel näher. Trotz Mittagshitze herrschte hier ein geschäftiges Treiben der Einheimischen in den Straßen und auf den Plätzen, vom Gedränge in den übervollen Bussen ganz zu schweigen.

Leider kamen wir erst am späten Nachmittag in der drittgrößten Stadt Kubas, im sehenswerten Camagüey, an, das zu den gepflegtesten und  schönsten Städten Kubas zählt. Der Besuch im originellen und erfolgreichen Cafe eines Österreichers, der schon seit 20 Jahren in Cuba lebt, gab uns die Gelegenheit, einiges über seine Erfahrungen mit der Bürokratie und der Mentalität und Arbeitsmoral seiner Beschäftigten zu erfahren. Die für den Betrieb eines großen Cafes auf europäischem Niveau notwendigen Geräte konnte er nur nach und nach und meist nur trickreich einführen – aufgrund der inländischen Handelsbeschränkungen. Bei der Beschaffung qualitätsvoller landwirtschaftlicher Produkte ist er auf sein informelle, lokales Netzwerk und eine intakte Tauschwirtschaft angewiesen, wie wir es auch aus der DDR kannten. Sein größtes Problem ist allerdings die Arbeitsmoral, er hat Schwierigkeiten gutes und fleißiges Personal zu finden, obwohl er deutlich besser bezahlt, als gefordert. Da die Bevölkerung in armen, aber vom Staat abgesicherten Verhältnissen lebt, ist die Bereitschaft zu leistungsorientierter Vollzeitarbeit wenig ausgeprägt, zudem sind die Fehlzeiten hoch. Er sagte zum Schluss, dass schon viel Liebe zum Land und Idealismus nötig sei, um hier dauerhaft „unternehmerisch“ tätig zu sein.

Die kurze, abendliche / nächtliche Fahrt in Fahrradtaxis durch das Gassengewirr der sehr malerischen Innenstadt war ein erholsames Highlight am Ende eines langen Reisetages und gab uns eine Ahnung vom früheren Reichtum dieser alten Provinzhauptstadt. Am Samstagabend schien die ganze Stadt auf den Beinen, hier erlebten wir erstmals, die laute, fröhliche, karibische Lebensfreude, die wir eigentlich überall erwartet hatten.

Leider fiel die weitere Erkundung dieser in vielerlei Hinsicht interessanten Stadt unserem strammen Reiseplan zum Opfer

Wir wurden aber gegen Ende unserer Reise durch ein „heroisches“, revolutionäres Kontrastprogramm entschädigt!

Zunächst ging es auf den Spuren der Revolution und Fidel Castros und seiner Kampfgenossen zur „Wiege der Revolution“ in die Sierra Maestra und zum Abschluss in die Rebellen- und Heldenstadt Santiago de Cuba.

Wir fuhren in die im Südosten liegende Bergkette Sierra Maestra, in der auch Kubas höchster Berg, der Pico Turquino (1974 Meter) liegt. Die atemberaubend steilen Anfahrten schaffte unser PS schwacher, chinesischer Bus oft nur im Schritttempo! Wir wurden allerdings durch eine wunderbare, ursprüngliche Berglandschaft entlohnt, die sich schon auf den ersten Blick als idealer Rückzugsort für die Rebellen präsentierte.

Wir bezogen unser „Basislager“ für den geplanten Aufstieg „auf den Spuren der Revolution“ in einem, an einem Bergflüsschen gelegenen, idyllischen Naturhotel. Den obligatorischen, abendlichen Regenguss erlebten wir in den Schaukelstühlen auf den Terrassen unserer Bungalows – bei Mojitos und Zigarrenrauch.

Mehr oder weniger gut ausgerüstet, begann am nächsten Morgen der ca. 3 stündige Aufstieg über steile, unwegsame Pfade in urwaldähnlichem Waldgelände zum berühmten Rebellenlager der Revolutionäre, der „Comandancia de la Plata“. Unser kerniger, lokaler Führer brachte uns sowohl Flora und Fauna, als auch die Heldengeschichten der Revolution nahe. Bei Hitze und extremer Luftfeuchtigkeit war dieser Aufstieg ein Härtetest, der mir nur bedingt noch Zeit ließ, für die Schönheit der unberührten Natur. Nach ca. 2/3 des Weges kam eine Finca, deren frühere Eigentümer Fidel und seine Genossen versteckt und mit Nahrungsmitteln versorgt hatten. Sie wurden nach dem Sieg der Revolution mit einer lebenslangen Leibrente belohnt, die Nachfahren betreiben heute die Finca mit intakter Landwirtschaft und Schweinezucht weiter, auch als willkommenen Rastplatz für erschöpfte Touristen. Während der Rest unserer Reisegruppe heldenhaft bis zum Rebellenlager aufstieg, begnügten wir uns mit einem längeren Aufenthalt auf der Finca und überließen das Rebellenlager unserer Fantasie. Auf die Heldentaten, Siege und Niederlagen der Rebellen komme ich im Museum von Santiago de Cuba kurz zurück. Glücklicherweise überstand unsere Reisegruppe diese körperliche Herausforderung zwar erschöpft, aber bis auf Esther unversehrt.

An dieser Stelle ein hohes Lob für unseren Busfahrer, der die holprigen und löchrigen Straßen mit Feingefühl und Bravour meisterte und uns zusätzliche Rütteleien ersparte. Ein unverschuldeter, kleiner Unfall ging zum Glück glimpflich aus – der Bus verlor zwar einen der riesigen Außenspiegel, aber nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn uns der gegnerische Lastwagen auch nur ein paar Zentimeter nähergekommen wäre.

Am Nachmittag folgte die lange Anreise zu unserer letzten Reisestation, Santiago de Kuba.

In dieser heimlichen Hauptstadt Kubas, der Stadt der Rebellen und der Musik, wie sie uns angekündigt wurde, erlebten wir viele Eindrücke unserer Reise nochmals wie im Zeitraffer: den heldenhaften Platz der Revolution, den strenge Katholizismus in der (kitschigen) Wallfahrtskirche Basilica del Cobre, die wunderschönen Kolonialgebäude und prachtvollen Plätze, das Revolutionsmuseum, die eindrucksvolle Festung, die tropischen Regengüsse etc. Santiago machte auf uns einen vergleichsweise wohlhabenden, selbstbewussten Eindruck. Die wechselvolle Geschichte schien sich in den Gesichtern der Bewohner widerzuspiegeln.

Santiago ist mit 500.000 Einwohnern nicht nur die zweitgrößte Stadt Kubas, sie bildete und bildet ein echtes, karibisches Gegengewicht zu Havanna. In ihrer konfliktreichen Geschichte musste man sich mit Piraten, den Kolonialmächten, der USA und schließlich der eigenen korrupten Regierung  Batistas mehr oder weniger kämpferisch und letztlich siegreich auseinandersetzen.

Mit dem Sturm auf die Moncanda Kaserne nahm die Revolution 1953 ihren (damals erfolglosen) Anfang. Das Kriegsmuseum zeigt den blutigen Beginn der Revolution und die nicht weniger blutigen Aufstände in der Folgezeit. In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie geschickt und mit wie wenigen Rebellen Fidel Castro seinen Kampf führte und welches große Glück er in den langen Kampfzeiten bis zum Sieg immer wieder hatte, dass er im Gegensatz zu vielen seiner damaligen Kampfgenossen, die fielen oder vom Regime erschossen wurden, alles unbeschadet überstand.

Als charismatischer Führer hatte er speziell hier im Osten die Unterstützung von weiten Teilen der Bevölkerung, vor allem auf dem Land – aber ein gütiges, offenbar kommunistisches Schicksal hielt auch immer die schützende Hand über ihn.

Am 1. Januar 1959 kam er schließlich als Sieger mit seiner Rebellenarmee nach Santiago und hielt dort seine erste Rede als der zukünftige Maximo Leader Kubas, der bis 2008 der uneingeschränkte Führer Kubas bleiben sollte.

Wir genossen die kurze, verbleibende (Frei-) Zeit bis zum Rückflug am Hotelpool in Santiago mit dem Sortieren und Niederschreiben der vielen Eindrücke dieser unglaublich spannenden Studienreise.

4. (Politisches) Fazit der Reise

Über meine touristischen Eindrücke habe ich in den vergangenen Kapiteln ausführlich berichtet.

Wie mehrfach erwähnt, waren wir keine Strand- und Luxustouristen, sondern wollten Land und Leute und ihre politische, wirtschaftliche und soziale Lebensrealität möglichst hautnah kennen lernen. Ich bin nicht sicher, ob uns das in der kurzen Zeit  einigermaßen objektiv gelungen ist. In jedem Fall weicht mein Fazit dadurch vom Klischee eines sorglosen Strandurlaubs in einem abgeschotteten Luxusressort deutlich ab.

Meine zugegeben völlig naive Erwartungshaltung von einem karibischen, „sozialistischen“ Paradies voll Lebensfreude, Musik, fröhlichen Menschen und der Leichtigkeit des Seins traf auf eine, von einer kommunistischen Ideologie, über 60 Jahre geprägten, völlig anderen Realität.

Zu Beginn muss ich allerdings der Gerechtigkeit wegen auch festhalten, dass wir während der gesamten Reise keinerlei Kritik an der Regierung oder Partei gehört haben. Das deutet darauf hin, dass sich die Bevölkerung mit dem System und seinen Auswirkungen offenbar arrangiert hat. Meine folgenden Beobachtungen und Schlussfolgerungen sind dagegen das Ergebnis, eines in einer freien Marktwirtschaft sozialisierten und lebenden Besuchers.

Neben der touristisch herausgeputzten Innenstadt Havannas trafen wir – wie geschildert – in den eigentlichen Wohngebieten der einheimischen Bevölkerung auf die unerwartete und erschreckende Realität eines sehr armen Dritte-Welt-Landes. Dieser Eindruck begleitete uns während der Reise, auch wenn er sich glücklicherweise etwas relativierte, je weiter wir in die Städte des Ostens kamen.

Der Blick in die Läden, Supermärkte und Markthallen zeigte nach unseren Maßstäben ein kärgliches bis mangelhaftes Angebot – auch bei Früchten und Lebensmitteln, was in einem Agrarland unerklärlich ist. Wenn man dann noch erfährt, dass bis zu 80% des Lebensmittelbedarfs für den Tourismus eingeführt werden muss – obwohl wir auf der ganzen Insel durch weitgehend fruchtbares Agrarland fuhren, dann werden die Fehler einer zentralen Planwirtschaft offensichtlich.

Ich hatte den Eindruck, dass dieses von Planwirtschaft geprägte System wie ein Mehltau über dem Land liegt.  Kuba kam mir in weiten Teilen wie das „Deja Vue“ der untergegangenen DDR vor: eine mangelhafte Planwirtschaft, die keine Eigeninitiativen fordert und fördert, keine Zukunftsvisionen, stattdessen Angst vor Veränderungen hat, politische oder heldenhafte Parolen an den Wänden, Pressezensur und im Gegenzug eine „soziale Hängematte“ mit freien Mieten, kaum Steuern, freier Bildung und einem kostenlosen Gesundheitswesen. Niemand hungert, dafür sorgen u.a. die Lebensmittelkarten, die meine Generation aus der Nachkriegszeit kennt. Da diese Sozialleistungen vom Staat bezahlt werden müssen, werden extrem niedrige Löhne bezahlt, auch für hochkarätige Experten. Es gibt kein Privateigentum an Grund und Boden, was vor allem Initiativen in der Agrarwirtschaft lähmt, wenn der Großteil der Erträge zu niedrigen Preisen an den Staat abgegeben werden müssen. Die Folgen sind Abwanderung / Flucht, Schattenwirtschaft oder Resignation.

Als Hauptschuldige für die Mangelwirtschaft sind die USA mit ihrer Blockadepolitik natürlich willkommen. Das ist zum Teil richtig, aber auch nur die halbe Wahrheit. Das Beispiel des wirtschaftlich boomenden, kommunistischen Vietnam zeigt, dass ein politisch repressives System trotzdem eine erfolgreiche, an den Regeln der Marktwirtschaft orientierte, Wirtschaftspolitik betreiben kann.                                            

Warum hat die Partei solche Angst vor Veränderungen, warum fördert sie nicht die Eigeninitiative der Willigen, Fleißigen und vor allem die Power und Neugier der Jugend, warum nutzt sie nicht ausreichend die natürlichen Ressourcen, um vom Import unabhängiger zu werden, warum begrenzt sie das Internet, warum glaubt sie an die Allmacht der Staatsbürokratie?

Ich könnte diese Fragen endlos fortsetzen, die sich mir während der Reise stellten, wobei mir das Herz blutete bei den vielen ungenutzten Chancen, die dieses Land zur Verbesserung der ökonomischen Situation hat.

Ein Fünkchen Hoffnung bietet der Generationswechsel an der Spitze des Staates, der im Frühjahr nächsten Jahres stattfinden wird – vielleicht bringt der Neue mit seiner Mannschaft mehr Mut zur Veränderung auf. Es wäre diesem schönen, interessanten Land und seinen Menschen zu wünschen!

5. Schlussbemerkungen

Die Studienreise machte ihrem Namen alle Ehre und erfüllte alle Erwartungen und Ziele. Allerdings wäre aus meiner Sicht weniger mehr gewesen. Die Reise war äußerst interessant, sehr gut vorbereitet, organisiert und geführt – aber auch durch die überlangen Busfahrten auf schlechten Straßen und das feucht / heiße Klima sehr anstrengend. Insofern sollte man darüber nachdenken, entweder das Programm zu straffen oder wenigstens mehr freie Zeit einzuplanen – ein Erholungstag am Meer wäre zwischendurch eine Wohltat gewesen.

Mein abschlie8ender Dank gilt jedem Teilnehmer unserer Reisegruppe – es hat großen Spaß gemacht, mit Euch zu reisen!

Esslingen, 25.10.2017                  Klaus Weidner